Bling Guardian, "Somewhere far beyond"


Hallo, Unbekannte/r,
Dies ist die Homepage von Klaus Armbrüster.

Hier findest Du eine fiktive Geschichte zum Thema Vorstellungsgespräche. Ähnlichkeiten mit realen Geschehnissen aus Hannover, Köln, Dortmund, Magedburg, Erlangen-Tenelohe etc. sind leider unvermeidbar :-)
Eine fiktive Geschichte

Hier findest Du einige Bilder von dem Mera Luna Gothicfestival in Hildesheim von 2004 sowie einige Landschaftsbilder aus dem hannoverschen Umland.
Diese Bilder habe ich selbst mit einer Digicam aufgenommen.

Landschaftsbilder und Bilder von Mera Luna 2004 Landschaftsbilder und Bilder von Mera Luna 2004

Hier einige Bewerbungsunterlagen und einige Codebeispiele von mir aus dem Bereich Windowsprogrammierung in C++ MFC (Microsoft Foundation Classes).
Lebenslauf, Codebeispiele etc. von mir Bewerbungsunterlagen/Codebeispiele von mir



Über mich:

Geboren 1970 in Hannover
Wohnort z.Z. Hannover
Beruf Seit 1998 Softwareentwickler C++ MFC etc.
Seit einigen Monaten auf Beschäftigungssuche
Hobbys Computer, Fantasy, Fantasyrollenspiele (DSA, Vampire, Vampire live, Ars Magica, u.a. diverse Rollenspiele aus dem Bereich Fantasy/Dark Future).
Wandern, Schwimmen (gelegendlich), Radfahren
Musik Metal/Gothic der 90er und Jahrtausendwende. U.A. Blind Guardian, Nightwish, Qntal, Summoning, Sisters of Mercy etc.
Z.B. Blind Guardian, Imagainations from the Other Side, Nightwish, Planet Hell, Sisters of Mery, Temple of Love, Black Planet, Summoning, Khazad-Dhum, A distant Flame Before the Sun
Filme Filme aus dem Genre Science Fiction/Fantasy/Dark Future wie Matrix Troligie, Herr der Ringe Trilogie, Mad Max der Vollstrecker etc.



n einer Zeit, in der das schwarze Gold regiert hat

(Staßenszene aus Peking, in einer Zeit, in der das schwarze Gold regiert hat.)

Aus dem Prolog des Films Mad Max der Vollstrecker:

"...um zu verstehen, was er uns bedeutet hat,
müssen wir uns an eine Zeit erinnern, die vergangen ist.
In einer Zeit, in der das schwarze Gold regiert hat.
Aus den Wüsten sprossen Städte, die nur eines zum Ziel hatten:
Öl zu fördern.
Längst sind sie vom Erdboden verschwunden.
Aber damals war es Grund genug für zwei mächtige Völker,
In den Krieg zu ziehen.
Sie entfachten ein Feuer, das sie alle verschlingen sollte.
Ohne das schwarze Gold waren sie nichts.
Sie hatten auf Sand gebaut.
Denn als es nichts mehr zu fördern gab,
ihre donnernden Maschinen schwiegen
setzten sich ihre Führer zusammen und redeten, und redeten.
Aber nichts konnte die Lawine aufhalten,
ihre Welt zerbrach..."


ine fiktive Geschichte

Der Vorortzug beschleunigte mit einem leisen Heulton. Nach der Jahrtausendwende fuhren hier modernere Züge; man nannte sie jetzt S-Bahn. Es war ein langer roter Zug, rechteckig im Querschnitt, mit flachem Dach und leicht abgerundeten Ecken. Fuhr elektrisch, per Oberleitung. Innen waren jeweils Sitzabteile mit 4 Sitzen, 2 nebeneinander, gegenüber wieder 2 Sitze. In der Mitte ein Mittelgang, auf der anderen Seite auch solche Sitzabteile. Keine Schiebetüren dazwischen, sondern offene Abteile. In einigen Abständen dazwischen breite Schiebetüren, die sich an den Haltestellen mit einem leisen Surren öffnen und schließen. Außen breite rechteckige Fenster, durch die man das Häusermeer der Stadt sehen konnte. Die etwas zu harten Sitze waren mit einem dunkelblauen Synthetikstoff bezogen. Zwar etwas hart, aber bequem. Er saß in so einem Sitzabteil auf der linken Seite (in Fahrtrichtung) am Fenster, und schaute aus dem Fenster.

Ganz ohne ein Ruckeln oder Stottern beschleunigte der Zug. Läuft zu perfekt. Wie alles Moderne. Innen alles ganz sauber, neu und steril, ein bißchen wie in einem Krankenhaus. Hellgrauer Boden, hellgraue Wände, an den Außenwänden mittig in den Sitzabteilen kleine silbergraue Mülleimer. Immer ordentlich und sauber alles.
Zur Zeit waren nur wenige Leute im Zug. Er saß aleine in seinem Sitzabteil. An ihm zog die Stadt vorbei, ein endlos langes Häusermeer. „Wir melden uns anfang nächster Woche bei Ihnen per Email“, hatten sie gesagt. Das klang optimistisch. So wie sie es gesagt hatten. Es schien so, daß es diesmal mit dem Vorstellungsgespräch klappen würde; d.h. daß sie ihn einstellen würden. Bei International Business Solutions. Während der Zug fuhr, zog er die Jeansjacke aus, und zog das Jeanshemd aus. Darunter trug er ein weißes AC/DC-Tshirt. Jedenfalls war ihn nicht mehr so heiß. Zu einem Vorstellungsgespräch in der IT-Branche musste man sich entsprechend kleiden, den richtigen Dresscode (wie man das neudeutsch nennt) beachten. Anzug und Krawatte wären overdressed. Er bewarb sich ja nicht für eine Stelle am Bankschalter, sondern als Programmierer. In der IT-Branche sah man derlei Dinge etwas laxer. Beim Gespräch trug er eine neue, ordentliche, mittellblaue Jeans, ein mittelblaues Jeanshemd, das ein bißchen nach was aus sah. Keine Krawatte. Turnschuhe. Unter dem Hemd eben das AC/DC-Tshirt. Das sah man ja nicht. Außerdem trug er eine mittelblaue Jeansjacke. Die er gerade mit dem Hemd abgelegt hatte. Er wollte denen von der Firma mitteilen „ich bin kein aalglatter Karrierekrawattenpapagei, sondern ich bin ich; stellen sie mich so ein wie ich bin, oder lassen sie es“. Come on, come on, listen to the money talk.

Der Zug fuhr auf einem hoch aufgeschütteten Bahndamm in einer langgezogenen Kurve durch die Stadt. Wenn man aus dem Fenster schaute, konnte man zu beiden Seiten das endlose Häusermeer sehen.
Die Stadt war im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört worden, und in den 50er Jahren wieder aufgebaut worden. Die alten Häuser von vor dem Krieg, das waren die meisten, wirkten wuchtig und leicht geduckt; meist 4 stöckig. Sie hatten Giebeldächer und nach vorne schauende breite Frontärker, mit ovalen oder 4 eckigen großen Fenstern, und schauten einen wie große vieläugige Fische seltsam und stumm an. Vielleicht Baujahr 1910, vermutete er. Zementstuck. Dazwischen einige Häuser aus den 50 er Jahren, mit vielen 4 eckigen Fenstern und Giebeldächern; die erinnerten irgendwie an die Dr. Mabuse- und Edgar Wallacefilme, die noch in schwarzweiß gedreht waren, und hin und wieder im Fernsehen liefen.
Der Zug überquerte gerade auf einer Brücke eine Hauptverkehrsstraße, weit unten quälte sich der Feierabendverkehr aus der Stadt heraus, dazwischen fuhren Straßenbahnen. Von Zeit zu Zeit ragten aus dem Häusermeer schlanke ganz neue Bürohäuser heraus, die die übrigen Häuser weit überragten. Diese neuen Bürohochhäuser sahen aus wie riesige Eiskristalle, aus hellgrauem, fast weißen Beton, mit helltürkisblauen, verspiegelten Fenstern, und strahlten eine Eiseskälte aus. Perspektiven für junge Leute. In so einem Hochhaus hatte er das Vorstellungsgespräch gehabt. Außer den Hochhäusern ragten auch ab und zu alte Fabriken zwischen den Häusern raus, die waren komplett aus tief dunkelroten Ziegelsteinen gebaut, riesige Hallen, mit mehreren riesigen Schornsteinen. Diese Fabriken waren seit Jahrzehnten stillgelegt. Gearbeitet wurde jetzt in den neuen Hochhäusern. Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Vom sekundären zum tertiären Sektor. Sonnen Aufgangs- und Untergangsvision.

Eine kalte, mechanische, blecherne Stimme kündigte die nächste Haltestelle an, irgendein Stadteilbahnhof. Kurz darauf verlangsamte der Zug, ohne ein Ruckeln wurde er rasch langsamer, und hielt an. Dann öffneten sich die Schiebetüren mit einem leisen Zischen. Ein paar Leute stiegen ein. Gestresste bleiche Gesichter. Feierabendverkehr. Nach ein paar Minuten heulte ein leiser Signalton, dann schlossen sich die Schiebetüren wieder mit einem leisen Zischen, und der Zug fuhr mit leisen Heulen wieder an, wieder ohne zu ruckeln. Eine junge Frau setzte sich ihm gegenüber. Sie war vielleicht mitte 20, ziemlich groß, über 1,90m, und damit ein klein wenig größer als er. Sie hatte langes glattes schwarzes Haar. Ihre Augen waren seltsam. Sie hatte leicht schräg sitzende, mandelförmige schwarze Augen, sah irgendwie asiatisch aus, aber nicht rein asiatisch. Ein Mischling. Er vermutete eine Halbjapanerin, d.h. eine Kreuzung aus Japanerin und Europäerin. Dafür war sie aber zu groß, dachte er.

Der Spätsommernachmittag war recht warm, aber nicht zu warm. Der Himmel war mit einem hellgrauem Schleier aus dünnen Wolken bedeckt. Ein Hemd, ein Tshirt und eine Jacke, wie bei dem Vorstellungsgespräch vorhin, war eigendlich dick gekleidet. Das war aber der Dresscode.
Die Frau ihm gegenüber sah in kurz an, und schaute dann an ihm vorbei aus dem Fenster. Da sie ihm gegenüber saß, und er in Fahrtrichtung saß, schaute sie in die Richtung, aus der der Zug kam. Von der Frau ging eine seltsame Ruhe aus; das war selten im Feierabendverkehr; die meisten waren gestresst und/oder genervt. Diese Frau nicht (zumindest schien es so). Mit Japan (wenn sie eine Japanerin oder sowas war) kannte er sich nun gar nicht aus. Nur was er vom Hörensagen oder aus dem Fernsehen wusste. Das Land des Lächelns; diese Art von Selbstbeherrschung. Bushido. Walking through Tokyo. Visions of the Samurai. Silent tempers. Hiding my emotions. Looking through the Dragons eye.

Der Abendländer kann das nicht; diese Selbstbeherrschung; Gefühle nicht zeigen; immer höflich, auch seinen ärgsten Feinden gegenüber. Er rastete bei Stress immer aus. Er empfand es als angenehm, dass die Frau ihn *nicht* beobachtete. Die Jacke und das Hemd hatte er auf den Sitz neben sich gelegt. Er kramte in der Jackentasche seiner Jacke und holte eine Dose heraus. Das war eine Dose Cola-Bacardi. Die Dose war kalt und jetzt mit lauter kleinen Kondenswassertropfen bedeckt. Diese Dose hatte er in einem Kiosk gekauft, nach dem Vorstellungsgespräch. Das Vorstellungsgespräch war in einem dieser ganz neuen Eishochhäuser gewesen. Direkt neben dem Hochhaus war ein Stadteilbahnhof älterer Bauart, aber gerade frisch renoviert. Daneben war ein Kiosk, wo er diese Dose gekauft hat. Danach war er in den Bahnhof gegangen, hatte die Rückfahrkarte am Automaten gekauft, und war rauf zum Bahnsteig gegangen. Nur wenige Minuten später kam dann schon dieser Zug. Der Bahnhof war genau wie dieser Zug: alles ganz neu und steril und frisch renoviert. Der Bahnhof mag wohl Baujahr um 1900 sein, vermutete er. Jetzt nach der Renovierung, wirkte er genauso kalt und wie aus Eis wie das Bürohochhaus daneben. Nur der Kiosk daneben, eine alte Bretterbaracke, passt nicht dazu. Innen im Bahnhof und oben am Bahnsteig war alles ganz neu und steril. Die Bahnstrecke war gerade frisch modernisiert, neue Gleise aus hellgrauem Stahl, nicht auch nur ein bißchen angerostet, neue Betonschwellen aus hellgrauem Beton, neuer hellgrauer Schotter dazwischen. Die Oberleitungen ebenso. Ganz neue hellgraue Betonmasten, ganz neue hellgraue Stromleitungen. Die Bahnstrecke war zweigleisig, und führte in einem ganz langen Bogen durch die Stadt.

Jedenfalls hatte er jetzt die Dose Cola-Bacardi aus der Jackentasche gekraft, öffnete die Dose und fing an, zu trinken. „By the way, ist das eigendlich verboten hier ?“, fragte er sich. In manchen Zügen durfte man nix saufen. Wie das in diesem Zug war, wußte er nicht. Zumindest stand hier nichts. In diesen roten Zügen gab es nur selten Fahrscheinkontrollen. Diesmal kam offenbar wieder keine. Die Halbjapanerin (oder was sie war) schien das zu ignorieren; zumindest zeigte sie kein Misfallen, daß er Cola-Bacardi trank. Er hatte Kopfschmerzen, vom Stress beim Vorstellungsgespräch, deswegen trank er die Dose. Denn Cola-Bacardi bekämpfte Kopfscmherzen, die vom Stress her kamen. Während er die Dose langsam trank, machte sich ein eingenehm kühles und taubes in seinem Kopf breit. Er mochte dieses Gefühl. Dann konnte man besser denken. Nachdem er die Dose leer getrunken hatte, knickte er sie mit einer Hand zusammen, und steckte sie in den kleinen Mülleimer, der an der Außenwand des Zuges befestig war. Der hatte oben eine Klappe, die er mit einem Schäppern zufallen ließ, als er die Dose hineingetan hatte. „Eigendlich ist das verboten“, dachte er sich, „eigendlich müsste man die kaputte Dose jetzt irgendwo abgeben, weiß aber nicht wo.“ Dosenpfand. Die wohl größte Errungenschaft von Rot-Grün. Ökologisch-Soziales Reformmodell.

[ Anmerkung des Autors: Sorry, wenn ich hier zu politisch werde. ]

Was er nicht mitbekam, war ein unverhohlenes Lächeln der Japanerin. Land des Lächelns. Hiding my Emotions. Walking through Norddeutschland, Visions of the Angestellter, looking through the Bundesadlers Eye.

Jetzt ging es ihm besser. Er hatte jetzt wieder einen kühlen, leicht tauben Kopf, und keine Kopfschmerzen mehr. Immer noch raster der Zug durch das Häusermeer der Stadt. Jetzt fuhr er an einer dieser alten Fabriken vorbei. Er sah sie im Fenster an sich vorbeifahren. Ein riesiger tief dunkelroter Drachen aus Ziegelsteinen. Riesige Hallen mit Mansardendächern, und 4 riesige, turmhoch aufragende Schornsteine. Sah aus wie ein riesengroßer, gehörnter Dinosaurier. Seit der großen Wirtschaftkrise redete er nicht mehr, sondern schaute einen nur bösartig an: „laß mich in Ruhe!“.

Jetzt erreichte der Zug den Stadtrand. Zur linken aus dem Fesnter schauend sah er, wie das Häusermeer plötzlich weg wag, stattdessen jetzt überall Felder. Meist Roggen, dazwischen Zuckerrüben. Jetzt im Spätsommer, war das Getreide fast erntereif, hellgrün-gelbgolden, die Zuckerrübenpflanzen dazwischen dunkelgrün. Zwischen den Feldern standen einige hoch aufragende Windräder, ganz hellgrau, fast weiß, aus Metall, hatten 3 Rotorblätter. Weit am Horizont stand ein riesiges Kraftwerk. Drei riesengroße Kraftwerksblöcke, die wie aufrechtstehende Schuhkartons aussahen, und nebeneinander standen, jeweils davor ein Kühlturm, aus dem weißer Wasserdampf aufstiegt. Neben den 3 Kraftwerksblöcken stand ein riesiger Schornstein mit einer langen Rauchfahne aus weißen Rauch. Das Kraftwerk musste sehr neu sein, und war komplett aus hellgrauem, fast weißem Beton gebaut.

Wie bereits erwähnt, fuhr dieser Zug elektrisch. Energie. Strom. Der Strom für den Zug konnte aber nicht von den Windrädern zwischen den Rübenäckern kommen, die drehten sich nämlich nicht, weil kein Wind da war. Ökologisch-Soziales Reformmodell. Regenerative Energie. Einspeisungsgesetz. Dosenpfand. Mit den Windrädern war es mit allem von Rot-Grün: geht nicht.

[ Anmerkung des Autors: Sorry, wenn ich hier wieder zu politisch werde. Gemeint sind die Errungenschaften der rot-grünen Bundesregierung von 1998 bis 2005]

Der Strom für den Zug musste wohl eher von dem riesengroßen Kraftwerk am Horizont kommen, vermutete er. Von solchen Dingen wusste er nur wenig. Es schien ein Heizkraftwerk zu sein, das musste sehr stark sein, vermutete er weiter. Das Heizkraftwerk, vermutete er weiter, müßte eine Mischfeuerung haben, also ein Gemisch aus Öl, Kohle und Gas. Das hieß: importierte polnische Steinkohle, importiertes russisches Erdgas, importiertes saudiarabisches Öl. Wie lange, sagte die Opec doch gleich, reichten die Weltölvorräte noch ?

[ Anmerkung des Autors: ein kurzer historischer Exkurs:
Zur Zeit Kaiser Wilhelms des Ersten maß man den Energiegehalt eines Brennstoffes im Vergleich zu einem Referenzbrennstoff, der sogenannten Breslauer Kohle. Das war eine blauschwarze Steinkohle, die mit knisternder blauer Flamme brannte, so ähnlich wie die Flammen eines Gasherdes. Diese Kohle wurde in Tagebauen in der Nähe von Breslau, dem heutige Bratislava, der Hauptstadt von Schlesien, gefördert. Federführend bei der Industrialisierung damals waren Breslau und Schlesien, gefolgt von dem Ruhrgebiet. „Ein dampfbetriebenes schlesisches Schienenfahrzeug“, wie man damals sagte, sprich: eine Dampflok.
Man maß den Energiegehalt eines Brennstoffs mit einer Art Kaloriemeter, aber nicht, um wieviel Grad Celsius Wasser erwärmt wurde, sondern wieviel Wasser beim Verbrennen von 100 Gramm eines Brennstoffs verdampft wurden. Diesen Wert verglich man mit dem der breslauer Kohle. „Das hat 2,4 auf Breslauer Kohle“. Gemeint war: „Dieser Brennstoff hat den 2,4 fachen Energiegehalt der Breslauer Kohle.“, wobei „1“ sehr viel ist. Normales Brennholz hatte 0,1. Die Bricketts von Omas Kachelofen 0,4. Essener Ruhrkohle hatte 8. Sehr schweres Heizöl 3,5.
Das war so ähnlich wie heute mit dem Rohöl: man vergleicht Rohöl heute mit den Referenzmarken „Texas light sweet crude“ (2), man denke an die Sache mit Dallas und J.R. Ewing... oder der Referenzmarke „Saudi Arabic light sweet crude“ (4), man denke an Laurenz von Arabien. ]

Das, was im Kraftwerk verbrannte, müsste, überlegte er (er hatte mal in einer Firma als Systemprogrammierer gearbeitet, die Steuersoftware für Heizkraftwerke hergestellt hatte, von daher wußte er ein wenig darüber) mindestens 6 haben. Also der 6 fache Brennwert der breslauer Kohle, die seit langem alle ist. Sonst könnte dieser Zug überhaupt nicht fahren. Kohle. Koks. Energie. Es wurde einst das schwarze Gold der Ruhr genannt. In einem besonderen chemischen Verfahren verflüchtigten sich aus dem Rohstoff die Gase. Aus Kohle wurde Koks. Es spendete Wärme, Behaglichkeit und Energie. Energie. Die Menschen sehnten sich nach der Energie, die ihnen das Koks lieferte, doch für das Volk war der Stoff zu teuer. Ohne das schwarze Gold waren sie nichts. Sie hatten auf Sand gebaut.

Jetzt, wo der Zug aus der Stadt raus war, wurde er schneller und schoss pfeilschnell durch die Landschaft. Inzwischen wurde es Abend. Die dünne Wolkendecke riss auf, und man saß die Sonne rotgolden am Horizont untergehen. Sonnenaufgangs- und Untergangsvision. Die blecherne Stimme kündigte den nächsten Bahnhof an. Der Zug wurde rasch langsamer und hielt an. Eine Trabantenstadt. Ein ganzer Pulk von Menschen quoll in den Zug rein. Wieder bleiche, gestresste Gesichter, eine Gruppe von Jugendlichen dazwischen. Die meisten waren Berufspendler. In dieser Trabantenstadt gab es auch mehrere von diesen neuen Bürotürmen, wo diese Leute wohl jetzt arbeiten, und nach der Arbeit nach Hause fuhren. Der Zug fuhr wieder an. Die Gruppe von Jugendlichen setzte sich nicht, sondern blieb neben den Schiebetüren stehen. Sie alle hatten zurechtgestylte Frisuren und nagelneue, teuer aussehende Freizeitklamotten an. Lacoste. Fishbone. Nike. Addidas. Ein weiterer Jugendlicher kam mit einer großen Sporttasche hinzu. Der musste durch eine Tür weiter eingestiegen sein. Die anderen redeten ihn mit aufgedrehter Stimmer an: „Hallo Kevin, wo willst Du denn mit deiner Sporttasche hin ?“ „Ja ich komm vom Schwimmbad...“. Das merkwürdige an dieser Trabantenstadtjugend war, daß sie immer zu adrett, zu zurechtgeputzt aussahen, und es schien immer so, daß sie nicht wirklich das meinten, was sie sagten. „Kam dieser Kevin (oder wie er heißen mochte) wirklich vom Schwimmbad ?“. Zumindest schien ihm das immer nicht so, er konnte sich aber auch irren. Die anderen zugestiegenen Passagiere waren meist älter, meist um die anfang 40. Sie wirkten meist gestresst, bleich, erschöpft. Sie setzten sich fast mechanisch auf die freien Sitze. Zum Glück setzte sich niemand zu ihm und der Frau hin. Kaum daß sie saßen, holten fast alle wie auf Kommando Handys raus und fingen an, damit herumzufummeln. Die ewige Spinnerei mit den Handys! Fast jeder fummelt jetzt mit so einem Ding herum, diese neuen Touchscreenhandys. Die ganze Zeit über tippen sie da irgendwas rein. Fast jeder im Zug. Die Jugendlichen zum Teil auch. Überall, in den Zügen, in den Bussen, überall diese Handyspinnerei! Er hatte sein Prepaidhandy vor Jahren weggeworfen; ihn war das zu doof. Was schreiben die da eigendlich die ganze Zeit über ? Oder mit wen telefonieren sie da die ganze Zeit ? Zum Glück hatte die Frau ihm gegenüber kein Handy. Rangeleien oder Pöbeleien gab es in diesen Zügen seit Jahren nicht mehr; sie alle verhielten sich korrekt, eher mechanisch. Wenn man einen dieser Leute ansprach, was eher selten geschah, waren sie zurückhaltend höflich. Manchmal kamen in diesem Zug Penner an, mit teuren Jack Wolfskin-Mikrofaserjacken bekleidet, und pulten Coladosen oder Bierpfandflaschen aus den Papierkörben heraus. Diesmal zum Glück nicht. Die meisten Leute hier in dem Zug waren (überlegte er) Berufpendler. Morgens fuhren sie gereizt mit diesen Zügen in die Vorstädte, oder in die große Stadt, und arbeiteten dort in den neuen eisig wirkenden Hochhäusern. Dienstleistungsgesellschaft. Auf der Arbeit das Gemotze vom Chef, die Zickerei mit den Kollegen, der ewige Streit, wer die nächste Kanne Kaffe kocht, die Blödheit der Abteilungsleiter und Chefs, der ständige Stress im Büro. Abends fuhren sie (wie jetzt) erschöpft aus der Stadt wieder nach Hause, manche eben per Pendlerzug, andere mit der endlosen Blechlawine auf den Ausfallstraßen. Wenn sie dann zu Hause angekommen waren, der ewige Streit mit der Partnerin, die Ratenzahlungen fürs Auto, fürs Haus, für die teure Möbelgarnitur, die Handyrechnung, und ob das Geld dieses Jahr für die Italienreise reichte. Und wenn es Nacht wurde, griffen sie zum Glas. Und am nächsten Tag das gleiche wieder, überlegte er. Der täglich Kampf ums Überleben. The Toil of the Battle. Dienstleistungsgesellschaft.

Draußen wurde es jetzt dunkel. Die blecherne Stimme kündigte eine weitere Trabantenstadt an. Ein Lichtermeer raste an ihm vorbei. Ein leichter Regenschauer schlug gegen die Fenster der Zuges. Jetzt hielt der Zug. Ein paar Leute stiegen zu. Dann fuhr der Zug weiter. Die Regentropfen schlugen lauter Wasserflecken von außen gegen das Fenster, wodurch das Lichtermeer der Trabentenstadt verschwommen wirkte. Jetzt fing die Cola-Bacardi auf nüchternen Magen (denn er hatte heute noch nichts gegessen) an, richtig zu wirken. Er fühlte sich benommen, aber angenehm benommen. Die Japanerin ihm gegenüber lächelte heimlich. Land des Lächelns. Ein Lied von früher kam ihm in den Sinn, schon ein paar Jahre her: Alkohol ist dein Sanitäter in der Not, ist dein Fallschirm und dein Rettungsboot. Das Drahtseil auf dem du stehst, das Schiff mit dem du untergehst. Was ist denn los, was ist passiert ? Ich habe blos meine Nerven massiert. Und wenn es dunkel wird, greifen sie zu Glas. Leider hatte er keine zweite Dose bei sich.
Er erinnerte sich an das Vorstellungsgespräch heute Nachmittag. Das Gespräch war auf 15:30 angesetzt. Er kam gerade noch pünktlich. Er war per Zug gekommen; der sah genauso aus wie dieser. Hastete vom Bahnhof um 15:27 in das eisige neue Hochhaus rein. Ein leichter Eisschauer überkam ihn. Lauter kleine Einkristalle auf seinen Haaren und seinem Gesicht, die aber rasch wieder weg waren. Ist immer so in dieses Hochhäusern, dachte er. Zum Fahrstuhl. International Business Solutions. 6. Stock. Fuhr per Fahrstuhl in den 6. Stock. Dort eine Glastür mit einem Klingelknopf. International Business Solutions AG. Er klingelte. Eine Junge Frau vom Empfang öffnete Ihm die Glastür. Guten Tag mein Name ist... ich habe heute ein Termin für ein Vorstellungsgespräch. Ah Herr sowieso. Wenn sie sich einen Augenblick setzten. Ich sage dem Geschäftsführer bescheid... Er setzte sich auf einen der ultramodernen schwarzen Kunstledersessel vor dem Empfangstresen. Dort ein kleiner Tisch mit diversen Zeitschriften in englisch und deutsch darauf. Visions for Tomorrow. Software Solutions for Tomorrow. Firmenmagazine. Aufsteigender norddeutscher Mittelstand. Nur wenige Minuten später kamen zwei Leute auf ihn zu, eine junge Frau groß, fast 1,90 m, sah ein bißchen aus wie die Sängerin von Eurithmics, kurzer weißblonder Stoppelhaarschnitt, eine große Brille, etwas zu aufwändig geschminkt, trug einen Rock und eine weiße Bluse, die zweite Person ein Mann, hochgewachsen, ebenfalls knapp 1,90 m groß, schmales Gesicht, mittelgraue Haare, keinen Bart, keine Brille, trug einen mittelgrauen Anzug mit Krawatte, wirkte etwas hager, ernster Gesichtsausdruck. Als die beiden auf ihn zukamen, stand er auf. Der Mann begrüßte ihn. Ah Herr sowieso... Ich bin..., Geschäftsführer, das ist Frau..., Personalleiterin. Wenn Sie mir bitten folgen würden. Sie gingen in einen steril wirkenden Konferenzraum. Während des Gesprächs erklärte ihm die Personalleiterin, die ein bißchen wie die Sängerin von Eurithmics (nur mit Brille eben) aussah: wir setzen auf ein junges dynamisches Team... Beim Reden setzte sie ein professionell wirkendes Lächeln auf, nicht unsympathisch... Der Geschäftsführer mit ernster Miene: wir sind eine mittelständische Firma, um 1995 gegründet, zu Zeit weltweit ca. 300 Mitarbeiter, die meisten davon hier in unserem Hauptsitz, darüber hinaus expandieren wir weltweit: Singapur, Japan, USA, Australien... Demnächst ist unser Börsengang geplant. Vielleicht haben sie an unserem Firmenschild das „AG“ gesehen (etwas stolz), das ist zur Zeit in Vorbereitung. Wir sind Weltmarktführer im Bereich Börsensoftware für internationalen Wertpapierhandel. Übrigens, wissen sie auch von unserem sozialen Engagement: wir helfen kranken Kindern in Afrika. Und gedacht dazu: „wenn der Börsengang durch ist, stellen das wir aber ein. Soziales Engagement bringt zwar Publicity, aber keinen Shareholder Value“.

[Anmerkung des Autors: ich habe in einer ähnlichen Firma in der Kantine mal ein Gespräch von Vizemanagern zu einem ähnlichen Thema mitgehört: „Wenn der Börsengang durch ist, stellen wir das aber ein.“ Das ist leider keine Fiktion.]

Aufstrebender norddeutscher Mittelstand. Börsengang. Shareholder Value. Karriereziele. Perspektiven für junge Leute. Come on, come on, listen to the Money Talk. Eistempel. Dienstleistungsgesellschaft. Sweet dreams are made of these.
Nach knapp 2 Stunden war das Vorstellungsgespräch zuende. Die beiden geleiten ihn zur Tür, er fuhr per Fahrstuhl wieder runter, ging aus dem Hochhaus raus, zum Koisk neben dem Bahnhof, kaufte die Bacardi-Cola... Er hatte aber den Eindruck, daß etwas passiert war, so wie die Frau mit ihm geredet hatte. Er hatte das angenehme Gefühl, daß sie ihn einstellen würden. Das war sein 8. Vorstellungsgespräch, das schien aber geklappt zu haben.

[Anmkerung des Autors: Eistempel. Ist keine Fiktion. Man fahre z.B. mit einem Zug in den Kölner Hauptbahnhof rein (von der Rheinbrücke aus), dort wird man sie am Rheinufer aus der Stadt rausragen sehen. Oder in Düsseldorf gleich neben dem Hauptbahnhof: die Hochhäuser der Sparda Bank West. Oder halt das Bankenviertel in Frankfurt...]

Während der Zug durch die Nacht raste, schweiften seine Gedanken ab. Er beobachtete die Japanerin (oder was sie war) ihm gegenüber. Von ihr ging eine seltsame Ruhe aus. Und, sie hatte etwas, das allen übrigen Leuten im Zug fehlte, und auch ihm vor langer Zeit abhanden gekommen war: innerer Frieden. Diese Frau war zufrieden mit sich selbst. Früher war alles besser. Früher, bevor diese Eiseskälte ins Land gekommen war... Lange bevor wir uns stürzten auf Karriereziele, Profitmaximierung, Shareholder Values, Hedge Fonts, Zertifizierte Riesterprodukte, Bürotempel und dergleichen, gab es noch die Zeit, wo Blumen am Bahndamm wuchsen, wo man Zeit hatte, wo man miteinander redete, wo man noch so war wie diese Frau. He was caught in an ancient dream so bright. Früher, da dröhnten Abba (Super Trooper) und Boney M (By the Rivers of Babylon) im Radio , im Fernsehen liefen Westernfilme oder Dr. Mabuse- und Edgar-Wallacefilme (die er als Kind nicht so recht verstanden hat), oder Raumschiff Enterprise oder Mondbasis Alpha 1. Seine Eltern (inzwischen beide tot) wohnten in der Nähe von Bahnhof der Trabantenstadt, wo er jetzt noch wohnte, und wieder hin zurückfuhr. Sie hatten einen Garten gleich neben dem Bahndamm gehabt. Dort hatten sie im Sommer Blumen und Tomaten und Radieschen gepflanzt. Dort konnte man Ameisen zusehen, oder seltsame Käfer beobachten, die auf den Blumen saßen. Im Garten war ein kleines Häuschen. Neben dem Garten war ein Teich, darin waren Frösche und Kaulquappen. Damals war die Bahnstrecke noch nicht elektrisch. Das waren rostige Eisenbahnschienen mit Holzschwellen und rostigem Schotter dazwischen. Morgens ging sein Vater immer zum Bahnhof. Dann kam dort ein Werkszug und hielt mit einem lauten Pfeifen, und sein Vater stieg ein. Er arbeitete in einer der großen Fabriken aus dunkelroten Ziegelsteinen. Damals redeten sie noch. Industrieschriftführer. Morgens fuhren die Leute von der Firma (damals: Company), in der sein Vater arbeitete, mit einem Werkszug durch die Vororte, und sammelten die Arbeiter von den einzelnen Bahnhöfen ein, und abends fuhren sie mit einem anderen Werkszug wieder zurück, und brachten die Leute wieder nach Hause. So gestresst, wie die Leute haute, waren seine Eltern nicht, sondern nur genervt. Auch die Züge waren damals anders: alte, klapprige Personenwagons, mit breiten Sitzbänken mit Federkernsitzen, und mit rotem Kunstleder bezogen, viel bequemer als dieser Zug. Gezogen wurden die Wagons von wuchtigen, rußspeienden Diesellokomotiven. Die machten immer einen Höllenlärm beim An- und Abfahren. In den Zügen waren die Leute ganz anders: die redeten miteinander. Und vor allem hatten sie keine Handys! Damals waren die Sommer wärmer (so schien es ihm zumindest), die Winter kälter, damals gab es im Winter richtig Schnee (seit langem gab es hier keinen Schnee mehr im Winter). Auch die großen alten Eichen in der Nähe vom Bahnhof waren damals grüner. Wenn man im Sommer unter so einer Eiche stand, und schaute nach oben, sah man nur ein dunkelgrünes Blätterdach. Heute sah man an der gleichen Stelle (ein paar dieser Eichen stehen noch) überall den Himmel zischen den Blättern durchschauen. Die Vorstadtjugend damals (dazu gehörte er auch), trug Jeanshosen und –jacken oder Trainingsanzüge, und spielte Detektive (3 Fragezeichen, TKKG), manchmal auch Straßenfußball. Er fing langsam an, zu verstehen, was die alten Leute damals in den Zügen gesagt hatten: die Omas mit den Regenschirmen „junger Mann...“, die Opas mit den Spazierstöcken: „also damals, als ich noch jung war...“. Das war alles lange, bevor diese Eiseskälte über das Land kam. Wandlung von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. In world which is turning faster, oh it’s turning faster, away from the light, into the dark. Weshalb tut man das hier eigendlich ? Weshalb macht man das ganze mit ? Diese Frage war ihn nicht zum ersten mal gekommen. Karriereziele. Zertifizierte Riesterprodokute. Sweet dreams are made of these.

Der Zug raste weiter durch die Nacht. Die blecherne Stimme kündigte jetzt der vorletzten Bahnhof seiner Reise an, d.h. eine Station vor seiner Heimatsadt. Kurz darauf hielt er wieder. Einige Leute stiegen schweigend ein. Ein junger Mann setzte sich neben die Japanerin, und damit ihm schräg gegenüber. Er war recht groß. Einer von diesen Gothic-Typen. Komplett schwarz gekleidet. Mehrere Nietengürtel, Unmengen von Ösen und Nieten an den Klamotten, so eine Art schwarzes Piratenhemd mit Ösen an den Ärmeln. Er konnte höchstens 19 sein. Kein Bart, lange dunkelbraune Haare, die offen in den Nacken hingen, in den Haaren (trotz seiner Jugend) eine weiße Strähne, die schien echt zu sein, also nicht gefärbt, eine Narbe auf der Wange. Große dunkle Augen, die geistesabwesend an ihm vorbeischauten. Er kannte diese Gothictypen vom Sehen her, sah man hin und wieder in den Zügen, hatte aber bisher nichts mit denen zu tun gehabt. Er kannte diesen jungen Mann nicht, da war er sich sicher. Er hatte aber gleichzeitig das starke Gefühl, ihm schon einmal begegnet zu sein. War das das, was man ein Deja-Vu nannte also französisch: schon mal gesehen ? Mit paranormalen Dingen wie Deja Vus kannte er sich nun gar nicht aus. Bei Matrix Teil 1 kam so was vor. Er mußte unweigerlich an den Film Matrix Teil 1 denken. Einen Augenblick erwartete er, dass jetzt die Agenten mit den Sonnenbrillen und den schwarzen Anzügen kamen... „Mr. Anderson, ich habe sie erwartet...“.

Jetzt kündigte die blecherne Stimme seine Heimatstadt an. Er nahm seine Jacke, sein Hemd, das immer noch auf dem freien Sitz neben ihm lagen, faltete beides zu einem Bündel zusammen, nahm das Bündel in die Hand, und wollte von seinem Sitz aufstehen. Da fühlte, daß er viel benommener war, als erwartet. Er stand leicht taumelnd auf, ging an der Japanerin und dem Jungen Mann vorbei in Richtung auf die Schiebetür. Die Gruppe von Jugendlichen, die vorhin dort standen, mussten inzwischen ausgestiegen sein. Jetzt hielt der Zug. Die Schiebetüren öffneten sich mit einem leisen Zischen automatisch. Er stieg aus, und blieb auf dem Bahnsteig stehen. Es hatte inzwischen wieder aufgehört zu regnen. Jetzt schlossen sich die Schiebetüren wieder, danach fuhr der Zug rasch weiter. Er schaute dem Zug nach, der hinter dem Bahnsteig rasch in der Dunkelheit verschwand. Dann war der Zug weg. Sonst schienen (zumindest schien es so) keine weiteren Leute hier ausgestiegen zu sein. Von dem Bahnsteig konnte man auf zwei Arten runtergehen: entweder weiter vorne eine Treppe runter, dann durch das Bahnhofsgebäude, ein geduckt wirkendes Gebäude mit einem breiten Giebel vorne, so aus der Zeit um 1900, aber gerade frisch renoviert, so ähnlich, wie der Bahnhof, wo er eingestiegen war, oder eine andere, kleinere Treppe, die im Zickzack neben dem Bahnhofsgebäude vom Bahndamm herunterführte. Das ganze war von weißen Neoscheinwerfen grell erleuchtet. Der regennasse Bahnsteig reflektierte die Neonscheinwerfer. Die Luft roch angenehm feucht, halt wie nach einem Spätsommerregen. Hier mußte es stärker geregnet haben, als von wo er kam.

[Amnerkung des Autors: sein Zielbahnhof sah so aus, wie der Stadtteilbahnhof Hannover-Leinhausen, nur, daß man hier immer noch durch das Bahnhofsgebäude runtergehen konnte. ]

Er wollte nicht durch das nächtliche Bahnhofsgebäude runtergehen. Nachts war es in dieser Trabantenstadt nicht gefährlich; trotzdem war ihm dieser Ort unheimlich. Also wollte er die kleine Treppe nehmen, die neben dem Bahnhofsgebäude vom Bahndamm runterführt. Dazu musste er sich um drehen, und ein kleines Stück den Bahnsteig zurückgehen. Als er sich umdrehte, standen die Japanerin und der Gothictyp vor ihm. (Sie mussten eine Tür in Fahrtrichtung hinter ihm ausgestiegen sein, das hatte er nicht gesehen.) Als er die beiden sah, bekam er einen Schreck. Die Japanerin sprach ihn an: ich habe nach dir gesucht. Der Gothictyp: wir suchten nach dir.
Wer seid ihr ?
Die Japanerin: Es wird ein Mordanschlag gegen dich vorbereitet. Wir sind vom bulgarischen Geheimdienst. Wir sind hier, um dich in Sicherheit zu bringen. Ein Killerkommando ist hier in der Nähe. Komm mit. Schnell.
Er kam mit. Die drei hasteten die kleine Treppe herunter. Unten wartete ein schwarzer Kleinbus auf sie. Die drei stiegen ein. Im Kleinbus waren vorne 2 Personen, die er nur undeutlich sehen konnte, die drei anderen setzten sich hinten in den Bus. Der Bus fuhr mit kreischendem Geräusch, fast panisch los. Auf der Fahrt (die Route kannte er gut) Autobahnauffahrt auf die A 347 Richtung Berlin, also nach Osten.
Ihr fahrt die A 347, also nach Osten ? Ja, aber nicht nach Berlin, sondern Richtung Warschau.

Einen Moment schauderte er. Er hatte einen Gedanken, den er nicht erwartet hat: wenn er jetzt nach Hause gegangen wäre, wäre er jetzt tot. Er wohnte in einem alten dunkelroten Ziegelsteinhaus in der Nähe vom Bahnhof. Eine kleine Einzimmerwohnung. Seine Eltern waren beide seit 1998 tot. Verkehrsunfall, hatte die Polizei ihm gesagt. Er war nicht dabei. Er war ein Einzelkind. Er hatte eine Freundin gehabt, mit der hatte er sich von einigen Monaten zerstritten. Sonst hatte er keine Bekannte mehr in der Stadt. Er war aleine. Es war sehr schwer geworden, in der Stadt Bekannte zu finden; früher, zu Jugendzeiten, war das anders. Seit 8 Monaten war er arbeitslos. Die letzte Firma, wo er gearbeitet hatte, war pleite gegangen. Danach schrieb er lauter Bewerbungen, von Zeit zu Zeit Vorstellungsgespräche, so wie das heute, bisher immer Absagen.

Schweigend fuhren sie pfeilschnell die Autobahn gen Osten. Diverse Kreuzungen. Bis Berlin kannte er die Strecke. Danach fuhren sie an Berlin vorbei nach Polen rein. An der polnischen Grenze warteten polnische Grenzbeamte und winkten sie durch, und riefen etwas auf polnisch; etwa so was wie schnell oder so...

In Polen kannte er sich gar nicht aus. Mehrere Stunden später fuhren sie offenbar von der Autobahn runter, auf eine Landstraße, später einen Feldweg. Dann hielten sie vor einer Art Villa älterer Bauart. Sie stiegen aus, und eilten in die Villa in das erste Obergeschoss. Dort war ein Raum, den er nicht erwartet hat: sah aus wie in den alten Filmen. Ein originalgetreu nachgebautes Zimmer wie vor dem Ersten Weltkrieg. In manchen alten Filmen a la Jules Verne kam so was vor. Spät wilhelminische Bauart von 1913 (im Nachbau). Große bequeme Ohrensessel, wie sie seine Oma einst hatte, eine Standuhr, die nicht lief, ein wuchtiger Schrank aus braunem Eichenholz. Ein großer, viereckiger Tisch aus Eichenholz. Was er nicht wußte war, daß dieser Kaiser Wilhelm der 2. Baustiel in Polen jetzt sehr beliebt war. Setz dich, sage die Japanerin.

Er setzte sich. Wir müssen dir ein paar Dinge erklären. Möchtest Du etwas zum Trinken ? Habt ihr Cola-Bacardi ? Sie ging in einen Nebenraum und holte 2 Flaschen, und stellte diese auf den Tisch. Eine kalte große Colaflasche und eine Flasche Premuim Black Bacardi. Dann ging sie wieder raus, und holte ein großes Glas, und stellte das ebenfalls auf den Tisch. Der gute teure schwarze Bacardi, dachte er, den man nur in ganz wenigen Supermärkten kriegt, wo so eine Flasche 20 Euro oder so kostet. Er goss den Bacardi in das Glas, und die Cola dazu, 1/4 Bacardi, 3/4 Cola. Dann trank er das große Glas halb leer.
Die Frau setzte sich ihm schräg gegenüber auf einen der anderen Sessel. Die Frau begann zu erzählen:
Deine Eltern wurden 1998 von Terroristen getötet. Sie starben nicht durch einen Verkehrsunfall. Die gleichen Terroristen wollten dich heute umbringen. Sie gehören zu einer bestimmten Organisation, eine Art übler Mafia-Clan. Wir, der Geheimdienst, wollen versuchen, diese Terroristen zu eliminieren. Wie denkst du darüber ?

Er sagte: wenn das stimmt, erschießt diese Terroristen. So, wie die Amis diesen Oberbombenleger, Bin Laden, oder wie der hieß, abgeknallt haben. Recht auf Selbstverteidigung.

Dann sagte die Frau weiter: wenn wir diese Leute eliminiert haben, was wirst du tun ?
Die Welt, so wie sie jetzt ist, WILLST DU DAS SO ?
Du kannst bei uns mitmachen.
Oder, du kannst danach wieder in deine Wohnung zurück, denn von diesen Terroristen droht dann keine Gefahr mehr, wenn sie tot sind. Diese Firma, Weltweiter Blödsinn AG, würde dich vielleicht einstellen. Dann kannst du dort weiterleben wie bisher, und träume dort, was immer du träumen willst.
Er sagte: die Welt, so wie sie jetzt ist, mit den Handys und der Eiseskälte undsoweiter, das will ich nicht.
Da war er sich sicher.
Die Japanerin lächelte. Dann bleib hier. She came to me one afternoon, one lonely monday afternoon, her long hair flowing in the mid summer wind. I know not how she found me, for in darkness I was walking…
Sie fuhrt furt: die Welt, so wie sie jetzt ist, isn't it exciting ?

Bis denne.
Yours, in the Dark,
Klaus
grklar@web.de


Letzte Änderung: 06.01.2012